"Wie ist das, wenn jemand tot ist?"

Veröffentlicht am 07.01.2015 um 00:00 Uhr – Von Beate Spindler – Lesedauer: 
Dossier: Trauer

Manchmal kommen die Fragen aus heiterem Himmel, meistens aber, wenn gerade jemand in der Familie gestorben ist: "Wie ist das, wenn jemand tot ist?" oder "Mama, musst du auch sterben?" Wie man mit Kindern über den Tod sprechen kann und was ihnen Trost spendet, erklärt die Theologin Christine Fleck-Bohaumilitzky. Sie arbeitet als Pastoralreferentin in der Notfall- und Klinikseelsorge im Erzbistum München und Freising.

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Frage: Frau Fleck-Bohaumilitzky, wann ist ein Kind alt genug, um mit ihm über Tod und Sterben zu reden?

Fleck-Bohaumilitzky: Sobald ein Kind sprechen kann. Das kann beim einen mit eineinhalb Jahren sein, beim anderen mit drei Jahren.

Frage: Welche Situationen eignen sich gut, um über das Thema zu sprechen?

Fleck-Bohaumilitzky: Einfach wäre es, wenn man den Einstieg zunächst über Tiere findet. Wenn Ihr Kind beispielsweise einen toten Vogel im Garten entdeckt oder das Haustier gestorben ist. Diese Situationen sind dann auch nicht so emotional für denjenigen, der mit dem Kind darüber spricht. Aber oft ist es eben nicht so und es stirbt plötzlich jemand aus dem näheren Umfeld oder jemand, der für die Familie wichtig war.

Frage: Wie sage ich das dann meinem Kind?

Fleck-Bohaumilitzky: Ganz wichtig ist, dass man ehrlich sagt, was ist: "Der Opa ist tot. Er ist gestorben." Formulierungen wie: "Der Opa schläft", "Die Tante ist heimgegangen", "Der liebe Gott hat sie geholt" oder "Er ist auf einer Reise" können Kinder verwirren oder ihnen Angst machen. Weil sie beim Einschlafen dann denken, sie könnten unter Umständen nicht mehr aufwachen. Oder es taucht die Frage auf: "Was ist lieb an diesem Gott, der meine Oma zu sich holt?" Und wenn jemand auf einer Reise ist, kehrt er normalerweise irgendwann wieder zurück. Aber wenn man gestorben ist, kommt man nicht mehr wieder. Gerade diese Endgültigkeit ist für die Kleinen bis etwa zum fünften oder sechsten Lebensjahr schwer nachzuvollziehen. Das können sie noch nicht begreifen. Sie glauben, wenn jemand fünf Tage tot war, dann kommt er irgendwann wieder.

Frage: Wie kann man ihnen den Tod verständlich machen?

Fleck-Bohaumilitzky: Man kann zum Beispiel erklären: "Wenn ein Mensch tot ist, atmet er nicht mehr. Der Mensch braucht dann auch nichts mehr zu essen. Er kann nicht mehr sprechen. Man kann sich mit ihm nicht mehr unterhalten. Alles, was den Menschen ausmacht, ist nicht mehr da." Ganz wichtig bei diesen Gesprächen mit Kindern ist, dass man nur die Fragen beantwortet, die sie stellen. Ein dreijähriges Kind ist früher mit einer Antwort zufrieden als ein zehnjähriges.

Frage: Wie gehen Eltern in dieser Situation mit ihrer eigenen Trauer um? Soll das Kind spüren, dass es Mama und Papa nicht gut geht?

Fleck-Bohaumilitzky: Es ist nicht nur in Ordnung, sondern es ist auch ganz wichtig, dass die Kinder sehen: Die Erwachsenen sind auch traurig und weinen. Weil sie sich sonst selbst nicht zugestehen würden, zu trauern. Kinder trauern übrigens anders als Erwachsene. Sie sind in einem Moment furchtbar traurig und dann wie auf Knopfdruck ganz fröhlich. Manchmal irritiert das die Eltern, die dann denken: "Jetzt ist der Opa oder der Bruder gestorben, und unsere Tochter ist gar nicht mehr traurig." Dieses spontane Trauern, das fast bis zum Ende des Grundschulalters erhalten bleibt, ist ein Schutzmechanismus für die Kinder. Es hilft ihnen, gerade wenn ein Geschwisterkind verstorben ist, mit dem Verlust umzugehen.

Christine Fleck-Bohaumilitzky arbeitet als Pastoralreferentin in der Notfall- und Klinikseelsorge im Erzbistum München und Freising.
Bild: ©privat

Christine Fleck-Bohaumilitzky arbeitet als Pastoralreferentin in der Notfall- und Klinikseelsorge im Erzbistum München und Freising.

Frage: Ab welchem Alter kann man Kinder mit zur Beerdigung nehmen?

Fleck-Bohaumilitzky: Meiner Meinung nach kann man Kinder jeden Alters mitnehmen. Es ist nur wichtig, dass man sie darauf vorbereitet und dass jemand da ist, der sich während der Zeremonie ums Kind kümmert. Das kann eine Freundin sein oder die Patentante.

Frage: Wie bereitet man denn ein Kind auf die Beerdigung vor?

Fleck-Bohaumilitzky: Idealerweise wäre es so, wenn man das Kind schon zum Verabschieden mitnehmen würde, sofern die Familie eine Verabschiedung vom Verstorbenen macht. Wir haben es in unserer Familie erst voriges Jahr erlebt, als mein Vater gestorben ist. Mein jüngster Neffe ist sechs. Sein erster Satz war: "Ich will den Opi unbedingt noch einmal sehen." Er war im Abschiedsraum der Klinik aufgebahrt und wir haben alle dort von ihm Abschied genommen. Es war für den Kleinen unheimlich wichtig, dabei gewesen zu sein. Seine Eltern haben ihm vorher erklärt, dass der Opi jetzt kalt ist, dass er die Augen zu hat und dass er sich anders anfühlt. Das war ganz wichtig für meinen Neffen, dass er das so wusste. Weil er dann auch festgestellt hat, nachdem er ihn gestreichelt hatte: "Ja, er ist wirklich sehr kalt. Gell, und die Augen macht er nicht mehr auf."

Frage: Wie ist es bei einem Kleinkind, das ja noch überhaupt nicht weiß, was es erwartet, das auch noch nicht alles begreift, was man erklärt: Kann das ein großer Schock sein, wenn es den Toten sieht?

Fleck-Bohaumilitzky: Nein. Kinder können eigentlich ganz unbefangen mit dem Tod umgehen. Da haben wir Erwachsene viel mehr Angst, es könnte für die Kinder etwas Negatives sein. Gerade so ab vier Jahren interessieren sich Kinder wirklich dafür, was da passiert ist. Die fragen oft: "Wie ist es dann, wenn der Sarg in der Erde ist? Kann er dann noch atmen? Da friert er doch!" Und auch hier gilt wieder: Man muss ganz ehrlich darauf antworten.

Frage: Selbst auf die Frage: "Mama, musst du auch sterben?"

Fleck-Bohaumilitzky: Unbedingt. Sagen Sie zum Beispiel: "Ja, wir sterben alle mal. Aber der Papa und ich werden alles tun, was in unserer Macht steht, damit wir nicht so bald sterben, aber so ganz in der Hand haben wir das nicht."

Frage: Was kann einem Kind helfen, wenn jemand gestorben ist?

Fleck-Bohaumilitzky: Ganz wichtig finde ich ein Abschiedsritual. Wenn ich noch mal das Beispiel von meinem Vater nehme: Alle Enkelkinder hatten etwas gemacht, das sie dem Opi mit ins Grab geben konnten. Der Kleine hat was gemalt, jede unserer Töchter – sie sind schon 24 und 22 – hat einen Brief geschrieben, den sie mit Canasta-Karten bzw. einem Halma-Püppchen in den Sarg gelegt haben. Die eine hatte mit dem Opi ganz oft Canasta gespielt, die andere ganz viel Halma. Was aber auch für viele Kinder ganz hilfreich ist: immer wieder mal eine Zeichnung aufs Grab zu legen oder über den Verstorbenen im Alltag zu sprechen. Meine Tochter zum Beispiel sagt beim Kartenspielen immer wieder mal: "So gut Canasta gespielt wie der Opi, hat niemand." Es ist einfach wichtig, dass der Verstorbene noch weiterlebt. Eben in der Erinnerung. Sowohl Kinder als auch Erwachsene können mit der Trauer dann viel besser umgehen.

Von Beate Spindler